Sorry, I am lost!

Von Stephan Rahn

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Keine Sorge, wenn Sie glauben den Überblick verloren zu haben. Wenn Sie keinen roten Faden mehr erkennen oder Sie nur noch „Bahnhof“ verstehen. Da sind Sie nicht allein – das geht ganz vielen so. Und ganz viele schalten fast komplett ab, lassen nur noch das Notwendigste an sich ran.

Richtig arm dran sind vor allem die Kommunikationsleute in den Unternehmen, denn die müssen es trotz allem schaffen, die Menschen zu erreichen. Und zwar die Mitarbeiter im eigenen Unternehmen, aber auch die Welt da draußen. Gut, wenn man sich mal auf den Weg macht, die Ursachen für den fehlenden Draht zu den Menschen zu verstehen. Denn dann eröffnen sich doch noch einige Möglichkeiten wieder ins Gespräch zu kommen.

Kommunikation: Die DNA eines Unternehmens

Ohne intakte Kommunikation läuft im Unternehmen nix. Das Engagement der Mitarbeiter verabschiedet sich, Abstimmungsprozesse laufen nicht mehr, die möglicherweise kraftvolle Unternehmenskultur nimmt Schaden und die Stärken des Unternehmens kommen kaum noch beim Kunden an. Es geht also an die DNA eines Unternehmens, wenn die Kanäle zu den Mitarbeitern und auch zu den Kunden dicht machen.

Laut Gallup-Studie fühlen sich nur ein Fünftel der befragten Mitarbeiter dem eigenen Unternehmen mehr oder weniger emotional verbunden, mit 15 Prozent fühlt sich ein noch kleinerer Anteil richtig wohl. Ungefähr ebenso viele Beschäftigte haben innerlich bereits gekündigt. Knapp drei Viertel der Befragten machen lediglich noch Dienst nach Vorschrift. Der volkswirtschaftliche Schaden ist mit geschätzten 103 Milliarden Euro beträchtlich. (Quelle: https://interne-kommunikation.net/gallup-studie-2018/)

Nun kann der Verlust an emotionaler Bindung zum eigenen Unternehmen verschiedenste Ursachen haben. Überaus plausibel ist aber, dass fehlendes Verständnis der Unternehmensentscheidungen und der gefühlte Verlust von eigener Wirksamkeit die Haupttreiber für schwindende Identifikation und Engagement sind. Wenn ich nicht verstehe, wo die Reise hingeht, kann und will ich mich auch nicht engagieren. Und ich will auch meine Fähigkeiten, meine Erfahrung und meine Ideen und damit mein Engagement nicht einsetzen. Frust und innere Immigration sind dann notgedrungen die Folge.

Warum aber fällt es uns Kommunikatoren so schwer, den Menschen zu vermitteln, warum bestimmte Entscheidungen getroffen werden? Und vor allem, warum gelingt es immer schlechter erst einmal die Aufmerksamkeit zu erhalten, damit Kommunikation stattfinden kann?

Auch ein Kopf hat seine Grenzen

Also so wirklich verwunderlich ist das eigentlich nicht, wenn es zunehmend schwerer wird, die Sinnes-Hirn-Schranke zu überwinden. Vor allem, wenn wir uns die gigantische Informationsüberlastung unserer Tage einmal vor Augen führen. Wenn alle zwei Tage so viel Daten und Informationen kreiert werden wie in einem Zeitraum vom Anbeginn der Menschheit bis 2003, wird das ganze Ausmaß dieses „Information Overloads“ deutlich. Und die Datenmenge steigt exponentiell – die Digitalisierung lässt grüßen. Mit ganz vielen positiven Entwicklungen – wenn sie dem Menschen dient, sein Leben und seine Arbeit einfacher und schöner zu machen, ihn zu entlasten. Allerdings sind wir dort in vielen Bereichen noch lange nicht. Momentan werden gigantische Datenmengen produziert, ohne dass daraus immer nützliche und sinngebende Informationen gemacht werden.

Die Folge: Mitarbeiter und Kunden sind unter Dauerfeuer der globalisierten Informations-Kanonen. Und zwar 24/7. Es ist zu einem Ding der Unmöglichkeit geworden, die tägliche Flut von E-Mails zu verdauen – gerade Mitarbeiter in multinationalen Konzernen können ein Lied davon singen. Die Mitarbeiter werden mit völlig irrelevanten Management-Initiativen geflutet, als gäbe es kein Morgen mehr.
Social Media verstrickt uns in immer wuseligere Pseudo Konversationen. Apps und Online-Plattformen tun ihr Übriges. Das ist zu viel. Viel zu viel um auch nur ansatzweise den Inhalt intellektuell verarbeiten zu können.

Ich steig nicht ein, wenn Ihr mir nicht sagt wo wir hinfahren

Der Overkill an Information macht es den Adressaten verdammt schwer, Relevantes rauszufiltern. Und das ist für die Mitarbeiterkommunikation fatal. Besonders in Zeiten von Disruption und ständiger Transformation. Denn gerade dann ist es so richtig wichtig, dass Unternehmensentscheidungen den Menschen bedeutungsvoll vermittelt werden. Ein riesen Unterfangen für Unternehmensleitung und Kommunikatoren. Denn wie kann relevant über Unternehmensstrategien kommuniziert werden, wenn die Halbwertzeit von Management-Botschaften immer kürzer wird?  Wenn Mitarbeiterkommunikation in Ermangelung eines klaren strategischen Zieles inkonsistent wird, folgt Orientierungslosigkeit. Da hilft aus Kommunikationssicht auch nicht, diesen Zustand wohlklingend mit „Agilität“ zu rechtfertigen.

Warum es so schwer ist, in den Unternehmen klare Ziele zu definieren, erklärte man bereits in den 90-igern an einer amerikanischen Militärakademie mit dem Kunstbegriff VUCA. Denn als der kalte Krieg zu Ende war, fehlten auf einmal die bekannten Leuchttürme, die gut von böse unterschieden. Die Welt war auf einmal kaum noch berechenbar, enorm komplex, mehrdeutig und volatil (Volatility/ Uncertainty/ Complexity/ Ambiguity). Das trifft – so erkannte man schnell – aber nicht nur auf den militärpolitischen Sektor zu, sondern ganz genauso auf den Ökonomischen. Ob in Politik, am Aktienmarkt, ob im Konsumverhalten oder bei multioptionalen Lebensstilen – wenn sich alles so unvorhersehbar schnell ändert, wird es natürlich schwer, einigermaßen zuverlässige Prognosen zu erstellen und daraus längerfristige Strategien abzuleiten. Und genau das wird zum Problem für die Mitarbeiterkommunikation.

Darf ich jetzt bitteschön auch mal was sagen!

Und ein weiteres Thema stellt sich immer häufiger zwischen Sender und Empfänger. Der Generationenwechsel bringt nicht nur neue Vorstellungen von Work-Life-Balance ins Unternehmen, sondern auch eine völlig andere Vorstellung von Kommunikation. Nur Empfänger sein von nett verpackten Unternehmensnachrichten war gestern. Heutzutage wollen die jungen Menschen mitreden. Ganz selbstbewusst, ganz selbstverständlich. Leere Phrasen à la „jetzt sprechen wir – die Unternehmensleitung – und Ihr habt bitteschön zuzuhören“ sind ein Auslaufmodell. Jeder will sich mit Recht ernst genommen fühlen und anstatt „Business-bla-bla“ sinnstiftende, ehrlich gemeinte Statements mit einer klaren Haltung hören. Und freundlich zum Gespräch eingeladen werden. Kein Wunder also, wenn gerade junge Menschen beim Botschafts-Bombardement nur noch die kognitive Notbeleuchtung einschalten. Jemanden wirklich erreichen, interessieren und in Interaktion verwickeln, das geht hingegen irgendwie anders.

Nix da, Homo Oeconimicus

Als hätte der Schöpfer in weiser Voraussicht allen Menschen ein Schutzschild vor Informationsüberlastung und der VUCA World in den Kopf gepflanzt, macht ein Thema in den Medien die Runde, die das bisherige Modell vom >homo oeconomicus<, also des rational denkenden und handelnden Menschen auf den Kopf stellt. 2002 erhält der US-amerikanische Psychologe Daniel Kahneman den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Er hatte erforscht, dass Menschen eben nicht nur rational entscheiden, sondern ein implizites System – ähnlich wie ein Autopilot – die Entscheidungen übernimmt. Dieses System ist nicht nur evolutionär überlegen, weil lebensrettend; bei der Flucht vorm blutrünstigen Tiger waren es nicht wohl überlegte Handlungsalternativen, die das Leben retteten, sondern der unbewusst-schnell gesteuerte, adrenalinbefeuerte Fluchtreflex, der das Leben rettete. Es ist darüber hinaus weitaus schneller und leistungsfähiger als jeder bewusst stattfindende Entscheidungsprozess. „Bauchentscheidungen“ hingegen liebt der Mensch, weil das energiefressende Bewusstseinssystem des Menschen stetig nach Entlastung strebt. Und alles zu komplizierte, widersprüchliche und fragwürdige viel zu gerne ablehnt.

Massivste Informationsüberlastung, andere Vorstellungen von Kommunikation der jüngeren Generation und ein besseres Verständnis der menschlichen Wahrnehmung durch die Neurowissenschaften sind also die wesentlichsten Treiber und Rahmenbedingungen der aktuellen Kommunikationsprobleme. Die gute Nachricht: Sie geben auch die Antworten, wie Kommunikation aussehen muss, die ankommt und wirkt.

Im Kern sind es nämlich einige recht einfache Regeln, die beachtet werden müssen:

REDUKTION AUF DAS RELEVANTE

Wer auch immer meint, mehr sei besser, irrt, wenn es um Kommunikation geht. Also ganz besonders bei der Mitarbeiter-kommunikation. Es geht darum den schmalen Pfad zu finden zwischen: „Ich möchte jetzt beim besten Willen keine weitere Mail zu diesem Thema bekommen“ und „Also irgendwie meldet sich die Geschäftsleitung gar nicht mehr“. Fragen Sie sich einfach, wie die Gefühlslage der Mitarbeiter ist. Hören Sie zu in den Flurgesprächen, was die Mitarbeiter bewegt, worauf sie Antworten suchen, was sie ganz besonders interessiert. Gute Kommunikation ist ohne Zuhören schlichtweg unmöglich. Denn erst durch Empathie entsteht der Sinn für Relevanz. Machen Sie mal den Test: Alle Kommunikation der letzten drei Monate auf den Tisch! Sie werden sich wundern, was Mitarbeiter alles verdauen sollten. Und jetzt geht´s ans Ordnen. Weg mit allem Ballast, der keine wirklich Relevanz hat. Weg mit Floskeln, Ausschmückungen und nichtssagendem Business-Geplapper. Stattdessen erarbeiten Sie ein neues Gerüst: Die Themen, zu denen Ihre Mitarbeiter mit Sicherheit etwas hören wollen auf die eine Seite. Dann daneben darstellen, welche einfache Botschaft Sie zu jedem dieser Themen mitteilen wollen. That´s it! Und bleiben Sie bei diesen Botschaften – besonders das Führungsteam sollte diese Botschaften inhalieren, damit Konsistenz in der Kommunikation garantiert ist.

KOMPLEXITÄT RAUSNEHMEN

Was ich nicht verstehe oder zu schwierig erscheint, verursacht Schmerz und wird abgelehnt. So viel ist aus den Neurowissenschaften bekannt. Wir tun also gut daran, alles Komplizierte aus der Kommunikation zu verbannen: Abkürzungen, Fremdwörter, Schachtelsätze, und alles was es schwierig macht, die Botschaft zu verstehen. Überhaupt ist es offensichtlich ein großes Problem für viele Menschen, SIMPLICITY in die Kommunikation zu bringen. Ein Labormitarbeiter, der ein neues Produkt entwickelt hat, wird sich schwer tun seine Erfindung Unbedarften möglichst einfach zu erklären, weil er darin eine Abwertung seiner Fachexpertise vermutet. Aber ebenso Marketingkollegen tun sich oft schwer, den Produktvorteil auf ein oder zwei Faktoren zu reduzieren. In der Folge bieten sie fünf oder gar zehn Produktvorteile an – ganz nach dem Motto: „Eines wird schon passen“. Dass dies ein erfolgloses Ansinnen ist, ist offensichtlich.

AUTHENTIZITÄT STATT BÜHNENZAUBER

Irgendwie scheint Perfektion und Hochglanz ein Relikt aus dem letzten Jahrhundert zu sein. Ein Auslaufmodell eben. Die Menschen kaufen wie verrückt Sofortbildkameras, ungeschminkte Reality wird millionenfach geklickt, Selbstgemachtes und Authentizität stehen hoch im Kurs. Es ist der Charme des Unperfekten, der so attraktiv geworden ist. Menschen hassen eben Perfektion, weil ihnen das den Spiegel der eigenen Fehlerhaftigkeit vorhält. Und das zeigt sich auch zunehmend in der Kommunikation. Geschliffene Formulierungen, einstudierte Präsentationen, alles Plakative und Inszenierte kommt unauthentisch, unmenschlich und unglaubwürdig rüber. Und vor allem wenig vertrauenswürdig. In Zeiten in denen die wichtigste Währung „Vertrauen“ ist, wäre das ein Desaster. Vor allem für die Unternehmenslenker. Dabei wäre es so einfach vertrauenswürdig zu kommunizieren. Verabschiedet Euch einfach von dem völlig überholten Streben nach Perfektion! Präsentiert euch ungeschminkt, redet wie normale Menschen, vor allem mit Mitarbeitern auf Augenhöhe. Nicht perfekt zu kommunizieren hat nichts mit Versagen und Unfähigkeit zu tun! Dieses Hirnprogramm muss ein für allemal gelöscht werden. Nahbarkeit, Ehrlichkeit und menschliche Gefühle werden mit Mitarbeiterengagement und breiter Gefolgschaft belohnt.<

Über

Stephan Rahn ist bei 3M Marken- und Kommunikationschef für Europa, den Mittleren Osten und Afrika.

3M

Der Multitechnologiekonzern 3M wurde 1902 in Minnesota, USA, gegründet und zählt heute zu den innovativsten Unternehmen weltweit. 3M ist mit mehr als 90.000 Mitarbeitern in 200 Ländern vertreten und erzielte 2017 einen Umsatz von über 31 Mrd. US-Dollar. Grundlage für seine Innovationskraft ist die vielfältige Nutzung von 46 eigenen Technologieplattformen. Heute umfasst das Portfolio mehr als 55.000 verschiedene Produkte für fast jeden Lebensbereich. 3M hält über 25.000 Patente und macht rund ein Drittel seines Umsatzes mit Produkten, die weniger als fünf Jahre auf dem Markt sind.

Kontakt

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Stephan Rahn | General Manager
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