Leipziger Finanzforum: Von der Wertentwicklung zur Werte-Entwicklung

von Elita Wiegand

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Leipziger Finanzforum: Gesprächsrunde mit Prof. Dr. Dr. Stefan Brunnhuber, Silke Hochmuth, Uli Mayer-Johanssen und Beate Hofmann 

Geld formt unser Denken und Handeln wie kein anderer Stoff und erzählt Geschichten, denn das Geld-Narrativ ist mächtig, erzeugt Habgier, Neid und Angst. Gleichzeitig zählt das Geldsystem zu den größten Tabus in unserer Gesellschaft. Zeit für die Kehrtwende, für den Aufbruch, Zeit, Denkmuster zu durchbrechen. Um Visionen für eine nachhaltige Zukunft zu entwickeln, mit Freude und Sinn gemeinsam über Geld zu reflektieren, braucht es Brückenbauer:innen, Gleichgesinnte, Zukunftsmacher:innen, die handeln. Das Leipziger Finanzforum hat dem Thema Sustainable Finance einen ganzheitlichen Rahmen gegeben. „Geldbildung, Werte und Sinn als Basis für die Gestaltung nachhaltiger Finanzen“. So der Titel einer Gesprächsrunde mit dem Wirtschaftssoziologen und Psychiater Prof. Dr. Dr. Stefan Brunnhuber, der Mitglied im Club of Rome und der Lancet Kommission ist, Uli Mayer-Johanssen, Initiatorin des Designing Future Beratungsnetzwerkes und Mitglied der Deutsche Gesellschaft Club of Rome, der Autorin und Diakonin Beate Hofmann, und der Veranstalterin des Leipziger Finanzforums, Silke Hohmuth.

Werte sind das Fundament für ein sinnreiches Leben 

Wir denken in, wir denken über und wir denken mit Geld. Das rechnende Denken prägt uns, weil wir Hoffnungen, Wünsche und Sehnsüchte daran koppeln. Unser Gehirn lädt Geld mit Bedeutung auf, sieht in ihm das Vehikel zum Glück. So sind wir rastlos, wollen immer mehr haben, noch mehr konsumieren und zahlen dafür einen doppelten Preis: Wir opfern unser Leben, um Geld zu verdienen und vernachlässigen im Gegenzug unsere Freunde, Familie und die Freizeit. Doch Geld allein ist macht-und gesichtslos. Es ist für uns lediglich der Träger von Emotionen – und das Gehirn trügt uns. Vielmehr sind es Werte, die uns prägen. Beate Hofmann verweist auf die sieben Tugenden, die wir aus unserer abendländischen Tradition kennen: Glaube, Liebe, Hoffnung, Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung. Sie symbolisieren theologische, philosophische und ethische Ansprüche und sie dienen als Leitlinien für menschliches Handeln. 

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Beate Hofmann

“Wir brauchen das Wissen um große Zahlen und um Menschlichkeit.” Beate Hofmann
Finanzwelt reformieren 

„Es liegt in unserer Hand: „Wie wollen wir Geld verwenden? Wie wollen wir schenken, kaufen und wie investieren?“, fragt Silke Hohmuth. Die gelernte Bankkauffrau will mit MenschBank die Finanzwelt reformieren und sie plädiert für einen Perspektivwechsel. Silke Hochmuth sieht den Umgang mit Geld als Ausdruck unserer Menschlichkeit. Durch eine Coaching-Ausbildung bei dem Bestsellerautor John P. Strelecky ist für sie die Frage nach Werten stärker in den Fokus gerückt. Strelecky spricht über den Sinn des Lebens, über „purpose for existing“, denn unsere persönlichen Werte sind das Fundament für ein sinnreiches Leben. Moralische und ethische Werte stehen jedoch konträr zur Finanzwelt, Geld ist wenig sinngetrieben. Doch es gibt inzwischen Bank- und Finanzdienstleister, die in der Branche etwas verändern möchten und die, gilt es „zu unterstützen, uns zu verbinden und als gute Vorbilder sichtbar zu werden“, so Silke Hohmuth.

„Arbeiten, um Geld zu verdienen, war gestern. Ab heute lautet das Ziel: arbeiten, um persönliche Erfüllung zu finden.“ John P. Strelecky 

Treten wir die Werte mit Füßen? 

Gesellschaften funktionieren am besten, wenn der Vertrauensgrad und die Solidarität am höchsten sind. Das gilt auch für Märkte. Unser Geldsystem favorisiert das genaue Gegenteil, ist überholt, marode, völlig ungeeignet für die Bewältigung der aktuellen Krisen und ist in den letzten 40 Jahren zunehmend instabiler geworden. „Treten wir die Werte mit Füßen? Wie finanzieren wir das „Wir?“, fragte Prof. Stefan Brunnhuber.

Feststeht: Für eine nachhaltige Zukunft werden traditionelle Finanzierungswege nicht ausreichen. Wie aber finanzieren wir die Nachhaltigkeitsziele, die Sustainable Development Goals (SDGs), die 2015 von Staats- und Regierungschefs der Welt in New York ausgesprochen worden? Die Herausforderung besteht darin, dass zwei Drittel der SDGs Kollektivgüter darstellen, zum Beispiel saubere Luft oder Bildung, Zugang zur Gesundheitsversorgung oder der Erhalt der biologischen Vielfalt. Viele Allgemeingüter sollten für jeden zugänglich sein. Stefan Brunnhuber plädiert dafür, dass an Stelle des bestehenden Finanzsystems ein monetäres Ökosystem mit vielfältigen Währungen und Tauschmitteln entsteht. Wer ökologische und soziale Probleme lösen will, braucht neben dem konventionellen Geldsystem noch ein komplementäres. Komplementärwährungen sind keine Konkurrenzveranstaltungen zu konventionellem Geld, sondern sie sind eine Ergänzung, um die Klimaziele zu erreichen. Denn: „Geld und Finanzen sind keine Naturgesetze, sondern sind Konventionen, Regeln von Menschen gemacht, die wir auch ändern können. Wir müssen umdenken“, betont Prof. Brunnhuber. Sein Leitmotiv: “Sustainabilty drives Finance.“ Durch die motivierende Wirkung des Geldes können wir durch eine Veränderung des Währungssystems die Richtung bestimmen, in die wir uns bewegen wollen, um einen nachhaltigen Wohlstand zu schaffen. 

„Wir müssen lernen mit dem System zu tanzen. Wir können keine Systeme kontrollieren, aber wir können mit ihnen tanzen!“
Donella Meadows

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Prof. Stefan Brunnhuber

 

Wer werde ich gewesen sein?

Verantwortung und Mut zur Veränderung sind Haltungen, die sie als wertvoll erachtet. Wie definieren wir Nachhaltigkeit und was sind wir bereit für eine enkeltaugliche Zukunft zu tun? Uli Mayer-Johanssen hat einige Jahre intensiv mit Prof. Michael Baumgart zusammengearbeitet. „Das Cradle-to-Cradle Prinzip hat mich nicht mehr losgelassen, weil es zeigt, was wir alles könnten und wissen, aber trotzdem nichts tun“, berichtete sie. Die psychologische Erklärung: Der Klimawandel ist eine unbequeme Wahrheit und es ist schwer, die Widersprüche auszuhalten. Aus der Psychologie ist die kognitive Dissonanz bekannt. Eine Frage ist die Lösung, sich der Verantwortung zu stellen.  „Wer werde ich gewesen sein?“, beinhaltet, dass ich die eigene Endlichkeit erkenne, vom Todestag zurückblicke und das wirkt transformativ“, so Stefan Brunnhuber.  „Für mich stehen derzeit zwei Werte im Vordergrund: Verantwortung und Mut zur Veränderung sind Haltungen, die ich als wertvoll erachte. Ich glaube, wir spüren alle, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann und wir uns die Frage stellen müssen, wie unsere Zukunft aussehen soll und was wir dafür tun können.“

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Uli Mayer-Johanssen

 

„Was es braucht: Wertorientierung, Sinnhaftigkeit und Begeisterung.“
Uli Mayer-Johanssen

Der gemeinsame Nenner aller Gesprächsteilnehmer: wir brauchen neue Narrative. Geschichten, die wir gemeinsam schreiben und unseren Kindern und Enkeln gerne erzählen. Dabei ist jede Geschichte wichtig, egal ob politisch, gesellschaftlich oder individuell. 

 

 Bridging the worlds – verbinde die Welten

„Am Gelde hängt, zum Gelde drängt doch alles“. Das Zitat aus Faust II. verliert immer mehr die Macht über die Menschen. Innere Freiheit bedeutet: Sich freimachen von dem Gelddruck und den Zwängen – loslassen. Wir kommen zur Selbstwirksamkeit über einen Mindchange, um die Finanzwelt neu zu denken. Silke Hochmuth sieht sich und ihr Netzwerk, mit dem sie das Leipziger Finanzforum gestaltet, als Brückenbauer für Werte und Sinn. Zufall? Es ist ein symbolträchtiges Zeichen und passt zu den Inhalten des Leipziger Finanzforums: Auf jedem Euro-Schein ist eine Brücke abgebildet. Jedes Mal, wenn wir auf einen Schein blicken, kann es uns mit Hoffnung erfüllen, weil wir entscheiden, ob wir den Schein in etwas Sinnvolles investieren.

Fotos: Markus Weinberg