Bodo Janssen: Werte statt Fachwissen – das Schulsystem ist veraltet

Profitgier und Gewinnmaximierung sind die Folgen des Werteverfalls in der Wirtschaft. Auch Bodo Janssen, Geschäftsführer der Upstalsboom Hotel und Freizeit GmbH war ein getriebener Manager, im Hamsterrad gefangen, auf Umsatz fixiert. Dann ergab eine Mitarbeiterbefragung niederschmetternde Ergebnisse: ein anderer Chef sollte her! Bodo Janssen begann umzudenken, radikal. Er krempelte sein Unternehmen um und läutete einen Kulturwandel im Unternehmen ein.

Der Unternehmer unterstützt das Projekt „Wertschätzungsbasierten Persönlichkeitsbild”, kurz „WePebi”. Der Berufsschullehrer Alexander Böhle vom Dortmunder Karl-Schiller Berufskolleg will Wertschätzung in die Schulen bringen, hat dafür das WePebi Konzept entwickelt und mit Bodo Janssen einen prominenten Unternehmer gefunden, der sich dafür einsetzt.

Ein Interview von Elita Wiegand.

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Bodo Janssen im Wirtschaftsclub Düsseldorf mit seinem Vortrag: „Kulturwandel in Unternehmen – Erfolg garantiert!“
Foto: Uwe Erensmann

Der Berufsschullehrer Alexander Böhle setzt sich dafür ein, dass Schülerinnen und Schüler in ihrer Klasse Wertschätzung erfahren. Mit dem „Wertschätzungsbasierten Persönlichkeitsbild”, kurz „WePebi” erfahren die jungen Menschen mehr über ihre Stärken und positiven Eigenschaften. Warum sind Werte bislang in Schulen kein Thema?

Bodo Janssen: Werte und damit die Würde des Einzelnen werden in Schulen vernachlässigt. Das hat etwas mit unserem System zu tun. Unsere Wirtschaft basiert auf Wettbewerb, Zahlen und Wachstum. Junge Menschen werden darauf „gedrillt“ sich den Normen anzupassen, um später in dem System zu funktionieren. So herrscht in Schulen bereits Ellenbogenmentalität: Lehrer bestrafen Fehler, tadeln und maßregeln. Was zählt sind die besten Noten und so entsteht ein Konkurrenzdruck. In Schulen regieren zudem immer noch Hierarchien und genau deshalb gibt es Wettbewerb, und der setzt immer einen Vergleich voraus. Solange Noten maßgeblich sind, spielt die Persönlichkeit des Einzelnen keine Rolle. Schülerinnen und Schüler werden anhand des Wettbewerbsprinzips bewertet, um zu erkennen, wer gut oder schlecht ist. Derjenige, der die Normen erfüllt, kommt in der Pyramide weiter nach oben. Doch die Zeiten haben sich geändert. Es geht immer mehr darum, dass Menschen ihre Persönlichkeit in Unternehmen einbringen und darauf sind die Schulen nicht eingerichtet.

Nun bist Du vor Jahren selbst in die Falle getappt und Dir war damals der Umsatz wichtiger, als die Menschen, die bei Dir arbeiteten. Was hat sich seit dem Kulturwandel in Deinem Unternehmen geändert?  

Bodo Janssen: Bei Upstalsboom ist es uns heute wichtig, dass sich die Mitarbeiter ihrer Fähigkeiten und Talente bewusst sind und sie wissen, wofür sie jeden Tag aufstehen. Es geht um die emotionale Intelligenz, um Empathie, um die Beziehungsfähigkeit der Mitarbeiter, um Freude und Sinn. Die Fachkompetenz ist trivial, Wissen kann man sich aneignen, aber es ist viel schwieriger, seine Persönlichkeit zu entwickeln.

Das Wertschätzungsbasierte Persönlichkeitsbild (WePebi) bewirkt, dass die Schülerinnen und Schüler berührt sind. Es fließen sogar auch mal Tränen, weil sie das positive Ergebnis überrascht. Wie sind die Reaktionen zu erklären?

Bodo Janssen: Das WePebi ist ein Spiegel, wie andere mich wahrnehmen. Das Ergebnis ist oft viel positiver als die eigene Wahrnehmung. Und so wird den Schülerinnen und Schülern auf anschauliche Weise kommuniziert, was sie ausmacht. Das wirkt kräftigend und räumt die eigenen Zweifel aus dem Weg. Wir müssen uns klar machen, dass wir oft Opfer unserer Gedanken sind. Das, was wir uns im Kopf zurechtrücken, ist unsere Wirklichkeit. Wenn mich mein Umfeld viel positiver wahrnimmt, als ich mich selbst sehe, dann hat das einen emotionalen Effekt. Das erleben wir mit den Reaktionen und wenn kleine Tränen fließen ist das ein gutes Zeichen, weil ich mit mir selbst in Berührung bin.

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Nun unterstützt Du Alexander Böhle mit dem Wertschätzungsbasierten Persönlichkeitsbild. Warum ist Dir das wichtig?

Bodo Janssen: Ich unterstütze das Projekt, weil ich glaube, dass junge Menschen offener sind und es leichter ist, ein Bewusstsein für eine innere Haltung zu wecken. Sie erkennen schneller, worauf es ankommt ein Leben zu führen, was sie innerlich freier, ruhiger und friedlicher macht. Freude ist Ausdruck einer Haltung und wenn sie das Selbstbewusstsein entwickeln, ihre Entscheidungen selbstbestimmt zu treffen, werden sie Werte als Würde erfahren.

Welche Rolle spielen „Soft Skills“ bei Bewerbungen  junger Menschen in Unternehmen?

Bodo Janssen: Da hat sich viel verändert. Heute sind Zeugnisnoten nicht mehr unbedingt ausschlaggebend, weil Unternehmen in Zukunft Mitarbeiter suchen, die eigenständig handeln, teamfähig sind und die Emotionalität spielt eine viel stärkere Rolle. Die neue Wirtschaft besteht aus Netzwerken und in einem Netzwerk werde ich mich nur dann zu einem Leuchtturm, wenn ich anderen Menschen einen Nutzen stifte, sie unterstütze, damit sie sich gut entwickeln können. Mitgefühl und Empathie sind die Voraussetzungen für diese Selbsterkenntnis. Menschlichkeit ist in Beziehungen elementar. Beziehungen kann ich nur führen, wenn ich eine gelingende Beziehung mit mir selbst führe. Die gelingende Beziehung setzt voraus, dass ich mir meiner Selbst bewusst bin.

Bislang wird das WePebi in Schulen eingesetzt. Warum könnte es auch ein Instrument für die Auszubildenden bei Uptalsboom sein?  

Bodo Janssen: Wir sind sehr daran interessiert, die Menschen in der Zusammenarbeit mit Instrumenten zu unterstützen. Das Wepibi bietet eine weitere Möglichkeit herauszufinden, was den Menschen ausmacht. Ich kann mir gut vorstellen, dass es nicht nur in der Schulen Anwendung findet, sondern auch in Unternehmen, bei Mitarbeitern und Auszubildenden. Diese bildhafte Darstellung der Stärken und Talente ist für Unternehmen genauso relevant wie für die Schule.

Alexander Böhle will das Stärkenbild verbreiten und wünscht sich, dass es bundesweit an vielen Schulen eingesetzt wird. Wie kann er das Ziel erreichen?  

Bodo Janssen: Wenn ich Menschen bewegen will, dann muss ich sie berühren. Das tun die jungen Menschen, wenn sie darüber berichten, was es mit ihnen gemacht hat. Wenn diese Menschen als Botschafter auftreten, wird es viele berühren und damit eine Bewegung in Gang setzen. Es geht nicht so sehr um die Theorie, sondern um es geht darum, etwas auszuprobieren. Das WePebi kann ich nicht rational beschreiben. Das muss ich erleben. Ich bin sehr dankbar, dass es Menschen wie Alexander gibt, die sich Gedanken machen, wie sie den Umgang mit Menschen in einem System wandeln können, sodass der Mensch bestärkt wird und nicht das System.